Montag, 31. Mai 2010

Der Apple fällt zu weit vom Stamm [Update]

Wie konnte das nur geschehen? frage ich mich. Ich hasse Apple. Nicht plötzlich, nicht von heute auf morgen. Eher schleichend fing es an, dass mir der massenindividualisierte gadgetgeile Mob nicht nur auf die Nerven ging, sondern gleich Aversion bis Aggression in mir auslöste. Das iPhone ist mir suspekt. Der neulich bei einem Kreativwettbewerb gewonnene iPod ging ohne Anbrechen der Verpackung als Geschenk an die Gattin. Und dieses anschluss- und funktionskastrierte Stück Rubbelplastik namens iPad kommt mir gar nicht erst ins Haus.

Bemerkenswert ist dies vor dem Hintergrund meiner Computervergangenheit: Mit einem LC II und einem Performa 475 stapeln sich liebgewonnene "Pizzaschachteln" im Hobbykeller, und sie funktionieren immer noch zuverlässig. Gleich daneben stehen Performa 630 und 4400, letzterer mit stolzen 200 MHz. Diese Kisten, die zwar ab und an mit leidiger Batteritis geschlagen sind, dokumentieren meine Computernutzung der Jahre 1994 bis 1998. Und ich hatte es genossen, auch wenn ich diese seltsame Maus fürchterlich fand.

Eigentlich war ich etwas anderes gewohnt: Apple war so etwas wie eine "zweite Liebe", nachdem meine ganz große Computerliebe, Amiga, das Zeitliche segnete durch die unselige Vermarktungsgeschichte Commodores und den Größenwahn Escoms. Wenig überaschend: Gleich neben den Apples stehen in meinem Keller die Amigas: Ein A500, ein A2000 und ein A1200. Sie laufen immer noch höchst zuverlässig, und ich benutze sie immer noch gerne. Aktuelle Erweiterungen (Indivision, Catweasel, X-Surf etc.) haben sie auf einen technischen Stand gehievt, auf dem sie sich nicht sonderlich vor anderen Computern verstecken müssen - auch wenn die bisherigen Arbeiten an einem funktionsfähigen Browser eher nette Bemühungen sind (kommt, Leute, seid ehrlich: CSS ist immer noch ein Fremdwort für einen Amiga-Browser).

Irgendwie wuchs sich der Gebrauch von Apple-Produkten zu einer nostalgischen Eskapade aus (ebenso beim Amiga): etwas geekiges, nerdiges, das man zelebrierte, auch wenn andere die Schlacht längst gewonnen hatten. So schluckte ich eben den Frust herunter, stöpselte meinen ersten PC zusammen und war ab 1999 vor allem aus beruflichen Gründen bei der Windows-Fraktion zu Hause (war ja auch sehr kurzweilig, oder??). Da ich ein sehr unausgeglichener Mensch bin, werde ich der Liste an Dingen, die ich an Apple nicht mag, keinesfalls eine Ausgleichsliste nachfolgen lassen, in der ich erkläre, was ich an Apple mag. Da ist nämlich nix... mehr.

Nein, ich hasse Apple nicht, weil ich ihnen die Gängelung ihrer Kundschaft nicht verzeihe. (Wer genug Geld hat, um so doof zu sein, hat es halt nicht anders verdient.)

Nein, ich hasse Apple nicht, weil ich ihnen und ihrem Ober-Guru Jobs die ständigen Attacken auf die Pressefreiheit nicht verzeihe. Wenn es ein PR-Gag sein sollte, mal fix das First Amendment außer Kraft setzen zu wollen, nur um herauszufinden, wer geheime Unternehmensinformationen an Blogger herausgab, der hat sowieso jede Sympathie eines aufrechten Demokraten verwirkt.

Nein, ich hasse Apple nicht, wenn ich auf dem Weg zum Hugendubel an diesem ätzenden Shop vorbeigehen muss, dessen Angestellte wie auferweckte Baptisten herumirren und ihre Kunden vor der Tür schon abfangen und danach beim Verlassen des Geschäfts Taufwillige behandeln.

Ich hasse Apple auch nicht, weil ihnen eigentlich ihre Kunden schnurzegal sind. Nicht nur, dass sie mit Anwälten über Kinder herfallen, wenn diese Verbesserungsvorschläge für Produkte abgeben, nein, sie können auch aus einer Laune (aka Strategie) heraus den Berufsstand, der sie jahrelang am Leben hielt, in die Wüste schicken. Waren es nicht die Werbeleute, die in ihren Agenturen oder Freelancer-Arbeitszimmern nur Macs stehen hatten, auf ihnen mit Macromedias (hm... Adobes?) Flash Webseiten erstellten, die einfach ein bisschen cooler waren als HTML-Gefrickle? Ihnen kündigt Apple nun die Freunschaft auf, indem sie Flash nicht auf ihren iPhones, iPads oder sonstigen iDingern haben wollen. Das heißt, dass das Internet auf Apples Hardware künftig ohne die Seiten derjenigen stattfinden wird, die diese Seiten auf Apples Hardware erstellten. Schade.

Aber das ist nicht der Hauptgrund. Ich hasse Apple wegen der rigiden Zensur, die sie den Applets - und damit deren Inhalten - angedeihen lassen. Was nicht passt, fliegt raus. Ein Regiment des Schreckens herrscht unter App-Entwicklern, die nicht Stromlinienförmiges produzieren möchten. Aber vielleicht ist das auch ein Grund, Apple zu lieben? Möglicherweise sind all die User, die das Internet in den letzen Jahren zu dem immerwährenden September verkommen ließen, irgendwann in ihren stromlinienförmigen Anwendungen auf Apple gefangen. Und unter der Oberfläche gedeiht wieder ein von der Masse unbeobachteter Wildwuchs, wie er uns immer Spaß gemacht hatte.

PS: Herrjeh, ich weiß, von unten sieht Niveau immer aus wie Arroganz, aber das musste ich einfach mal wieder loswerden. Aber Appler wissen das ja am Besten. Pardon und nix für ungut!

UPDATE (02. Juni 2010): Vor wenigen Tagen hat mich ein iPad erfolgreich durch den Flughafen-Checkin gebracht. Etwas konsterniert hatten wir nach einem Termin in Essen festgestellt, dass uns das verabredete Taxi im Stich ließ und ein neues Taxi uns vielleicht nur ganz knapp rechtzeitig zum Flughafen bringen könnte, aber bestimmt keine Zeit für einen Checkin bleiben würde. Aber da entdeckte unser mitgereister Apple-Afficionado ein App der Fluglinie auf seinem Gerät und probierte das Online-Einchecken per App aus. Das klappte auch sofort. Der Clou dabei: Er checkte nicht nur sich ein, sondern auch uns, seine beiden Begleiter, und sandte uns per mms den Boarding-Code zu. Mein Handy bekam das allerdings nicht auf die Reihe und so konnte ich nicht auf die MMS zugreifen. Aber unser Apple-Afficionado packte einfach sein iPad aus, drückte es mir in die Hand, und so gings locker durch die Kontrollen. Was ich aber bestürzend fand: Entweder waren alle so beeindruckt von der Technik oder keiner hat mehr Angst vor Anschlägen. Denn keiner kam auf die Idee, den Boarding-Code am Gate und in den Sicherheitskontrollen mal zu scannen und zu schauen, ob Code und Handybesitzer auch zusammenpassen...